Forschungsinteressen
Überblick
Epigenetische Veränderungen treten bei verschiedenen biologischen Prozessen wie Differenzierung, Entwicklung, Seneszenz, Stressreaktion und Transformation auf. De-Regulierungen dieser Prozesse sind eng mit monogenen und komplexen Krankheiten verbunden. Krebs beispielsweise wird nicht mehr nur als genetische Krankheit angesehen, bei der Gendefekte wie Mutationen und Kopienzahlvariationen die Genregulation beeinflussen und schließlich zu einer abnormen Zellfunktion führen (Timmermann B. et al. 2010; Schweiger M. et al. 2011). Vielmehr hat sich gezeigt, dass epigenetische Veränderungen eine weitere Ebene der (De-)Regulation der Genaktivität darstellen (Schweiger M. et al. 2013; Peifer M. et al. 2015). Derzeit ist die DNA-Methylierung wahrscheinlich die am besten charakterisierte epigenetische Veränderung, da Array- und Sequenzierungstechniken mit hohem Durchsatz epigenomweite Daten liefern, die die verfügbaren Genom- und Transkriptomdaten ergänzen (Boerno S. et al. 2010). Eine ordnungsgemäße DNA-Methylierung ist erforderlich, um die Genomstabilität und die richtige Abstammungsspezifikation zu gewährleisten. Bei Krebsgenomen hat man beispielsweise festgestellt, dass Krebsgenome im Allgemeinen hypomethyliert sind. An bestimmten Stellen, vor allem an Promotoren, finden sich jedoch Hypermethylierungen. Hypermethylierungen am Promotor von Tumorsuppressorgenen führen zu deren Inaktivierung und zur Tumorentwicklung. Hypomethylierungen hingegen treten überwiegend an heterochromatischen Stellen auf, die zur Transkription einer Vielzahl nichtcodierender RNAs (ncRNA) führen. So wurde eine abnorme Überexpression der perizentromerischen Satelliten-RNA (SATIII) zusammen mit einer Dekondensation und Demethylierung der perizentromerischen DNA bei Neuroblastomen, Lungen-, Pankreas-, Nieren-, Darm- und Prostatakrebs sowie bei mehreren genetischen Erkrankungen, einschließlich des ICF-Syndroms und des vorzeitigen Alterungssyndroms Hutchinson-Gilford-Progerie, festgestellt. Kürzlich haben wir gezeigt, dass SATIII-RNA nicht nur in malignen Geweben stärker exprimiert wird, sondern auch mit einer Therapieresistenz gegen Etoposid korreliert und diese induziert (Hussong M. et al. 2017; Kanne J. et al. 2021). Etoposid ist ein Topoisomerase-Inhibitor, der als Erstlinien-Chemotherapie bei kleinzelligem Lungenkrebs eingesetzt wird. Im Fall von perizentromerischem Heterochromatin (PH) scheinen lokale Transkripte sogar an der Bildung und Aufrechterhaltung von Heterochromatin sowie an der genomischen Stabilität beteiligt zu sein, und könnten somit eine treibende Kraft bei der malignen Transformation darstellen.
Ziele
Mit unserer Forschung wollen wir die Ursachen und Folgen der Deregulierung des Krebsepigenoms und seine Auswirkungen auf die zelluläre Homöostase verstehen. Wir wenden epigenomische, biochemische sowie molekulare und zellbiologische Technologien an, um Einblicke in epigenetische Veränderungen und deren mögliche Konsequenzen zu gewinnen. Insbesondere untersuchen wir den Zusammenhang zwischen Stress, dem epigenetischen Musterbildungsprozess und den Folgen für das RNA-Spleißen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen wollen wir Einblicke in onkogene Pathomechanismen gewinnen, und neue Möglichkeiten zur Diagnose und Vorhersage des therapeutischen Ansprechens von Tumoren sowie zur Entwicklung neuer therapeutischer Optionen entwickeln.
Philosophie des Labors
Im Zentrum unserer Arbeit steht das Gebiet der translationalen Epigenetik.
Wir wollen die epigenetischen Mechanismen der Krebsentstehung, des Fortschreitens und der Therapieresistenz verstehen. Unser besonderes Interesse gilt den nicht-kodierenden Genomregionen und wie sie zu gestörten Stressreaktionen beitragen. Auf der Grundlage unserer Erkenntnisse entwickeln wir neue therapeutische Strategien für zielgerichtete und leicht zu modulierende Chemotherapien.